Eine Reise nach Hamburg

Es ist der 25. Januar des Jahres 2015: Sehr früh am Tage erblicken unsere Enkel das Licht der Welt. Gott sei´s gedankt! Unsere Tochter Veronika hat Zwillinge geboren. Die Mutter und Kinder sind gesund. Auch der besorgte und stolze Vater hat „die anderen Umstände“ gut überstanden. Wir, die Großeltern, alle Verwandten, Freunde und Bekannten, freuen uns über die Geburt von Emilia und Paul. Erste Fotos der Enkel lassen keine Wünsche offen. Wir sind entzückt über die hübschen Kinder, staunen über dieses Wunder, und finden die Kleinen zum Knuddeln und Küssen süß.

Schon lange stellten sich Veronika und Arthur, auf ein Leben mit Kindern ein. Sie konnten in einer ruhigen Wohnlage im Nordwesten Hamburgs ein schönes Haus erwerben, bauten es um und richteten es nach ihren Bedürfnissen ein. Auch der große Garten mit altem Baumbestand wurde neu gestaltet. Beim Gartenhäuschen mit dem windgeschütztem Sitzplatz, durfte auch der passende Strandkorb nicht fehlen. Wir Großeltern begutachteten bei verschiedenen Besuchen den Baufortschritt; ein Ergebnis sorgfältiger Planung und aufwendiger Arbeit. Hier entstand in den vergangenen zwei Jahren ein Zuhause, in dem sich Eltern wie Enkel wohl fühlen können.

Als wir von der Geburt der Zwillinge erfuhren, war Iris, meine Frau, nicht mehr zu halten. Sie musste, wie die anderen Verwandten, die Enkel unbedingt sofort sehen, kehrte überglücklich von einem Blitzbesuch in Hamburg zurück, und schwärmte von den „süßen Kleinen“, die sie zum ersten Mal in den Arm nehmen durfte. Wir planten umgehend einen gemeinsamen, längeren Aufenthalt in Hamburg. Als Großvater musste ich mich aber trotz erfreulicher Botschaften,  noch etwas gedulden, bis ich die Enkel sehen und erleben durfte.

Endlich war es so weit: Doch kurz vor der Abfahrt, traten bei mir heftige Rückenschmerzen auf, die eine Reise zu verhindern drohten. Dabei hatte ich mich in Vorfreude doch schon sorgfältig auf die Fahrt vorbereitet. Sollte es mir nun nicht gegönnt sein, meine Enkel zu sehen? Auf Rat meiner Frau, entschloss ich mich aber trotz der Beschwerden, die Reise im Auto zu wagen. Entgegen aller Sorge, gelang es mir, die Rückenlehne des Sitzes so einzurichten, dass die Schmerzen erträglich blieben. Wir hatten zudem Glück: An diesem etwas diesigen Wintertag herrschte mäßiger Verkehr auf den Straßen. Mit wachsender Distanz von Oppenweiler, nahm die Hoffnung zu, die Reise gut überstehen zu können. Nach nur sechs Stunden Fahrzeit, tauchte die uns bekannte Silhouette Hamburgs vor uns auf. Dem Ziel unserer Reise waren wir nun sehr nahe:

Veronika hatte sich bei unserer Ankunft gerade, nach der „Mahlzeit“ mit den Kindern, zu einem Plauderstündchen auf das Sofa im Wohnzimmer zurückgezogen. Es herrschte beruhigende Stille im Hause. Paul flirtete, bequem auf den Oberschenkeln der Mutter liegend, mit Veronika, die ihn zum Dank für seine zufriedene Miene, gelegentlich ein wenig rüttelte. Emilia hatte es sich im rechten Arm ihrer Mutter bequem gemacht, und schaute sie satt und zufrieden unverwandt an. Beide Kinder beteiligten sich mit lebhaftem Mienenspiel an der Plauderei. Die Stimme Veronikas schien ihnen vertraut zu sein.

Wir wurden nun unseren Enkeln hoch offiziell, als deren Oma und Opa vorgestellt. Die Kleinen sahen wirklich genau so aus, wie ich sie von den Fotos bereits kannte. Zunächst stand ich ein wenig sprachlos aber sehr dankbar vor diesem Wunder an Leben. Veronika versicherte uns, dass beide Kinder seit ihrer Geburt, an Gewicht schon deutlich zugelegt hätten. Als ob wir uns schon lange wohl bekannt wären, gelang mir die richtige Zuordnung der Namen in Kürze.

Es dauerte nur eine kleine Weile, bis es die glückliche Mutter wagte, uns ihre Kinder anzuvertrauen. Ich kann Ihnen versichern, liebe Leser, dass es für mich ein sehr schönes Gefühl war, eine so süße Enkelin an sich zu bergen. Es dauerte daher nicht lange, bis es  Emilia gelang, ihren Großvater zu einem lebhaften „Gebabbel“ zu verführen.

Nichts von all dem, was sich früher zwischen mir und unseren Töchtern abspielte, hatte ich verlernt, und bald bemerkt, dass Emilia, wie ihre Urgroßmutter Emilie, Musik zu lieben schien. Und mir fielen wie von selbst alle möglichen Lieder zu, die wir einst mit unserer Mutter sangen. Unter uns gesagt, es waren auch einige nicht so ganz koschere „Lumpenliedchen“ dabei. Emilia schien sich aber nicht daran zu stören. Sie scheint wahrlich nicht aus der Art gefallen zu sein.

Ihr Bruder Paul wurde indessen von seiner Oma sehr verwöhnt und  liebkost, wie es sich für einen angehenden Mann gehört. Meine Prognose für seine Zukunft ist klar: Paul, von Kindheit an so ans „Schmusen und Küssen“ gewöhnt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch in seinem späteren Leben diese Einstellung beibehalten. Uns bleibt nur zu raten, welche familiären Erbanteile sich in diesem Knaben verkörpern.

Einige Stunden verbringen wir nun schon mit unserer Enkeln und deren Eltern in Hamburg. Gestern fand die erste Ausfahrt statt. Die Kinder wurden schön warm eingepackt und dann marschierten wir mit dem geräumigen, leichtgängigen Kinderwagen los. In der Nähe gibt es übrigens sehr schöne, ruhige Wanderwege, die sich zu derlei Ausfahrten unterschiedlicher Länge anbieten. Veronika machte uns dabei auf die vielen Pferde aufmerksam, die es hier gebe. Sie erwartet wohl zu Recht, dass sie, wie andere Eltern, in nicht allzu ferner Zeit auch unsere Enkel auf Ponys im Kreise herum führen müssten. Nebenbei bemerkt: Ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeit, als mich unsere Töchter als Pferd benötigten, oder später an die schwierigere Aufgabe, sie davon zu überzeugen keine eigenes Pferd zu bekommen. Mir lag die Klage eines Freundes in den Ohren, der alle Wünsche seiner Tochter geduldig erfüllte, bis auf den Umstand, jedes Wochenende auf einem anderen Turnierplatz zubringen zu müssen.

Aber nun wieder zurück nach Hamburg: Bis unsere Enkel so weit sind, dauert es eh noch eine Weile. Gern überlassen es wir ihren Eltern zu entscheiden, welche Vorlieben sie ihren Kindern gönnen wollen. Es erscheint uns Großeltern eher angenehm, derlei Entscheidungen, an die nächste Generation abgeben zu dürfen. Auffallend rasch vergeht die Zeit mit unseren Enkeln, denen es schon gelungen ist, die Herzen ihrer Großeltern für sich zu gewinnen. Schon wenige Stunden der Trennung genügen, um sich wieder nach Ihnen zu sehnen.  Während ich hier sitze und an dieser Geschichte arbeite, vermisse ich die Kleinen schon. Ich freue mich wieder darauf, bald ohne Beschwerden mit marschieren, und mit ihnen Plaudern zu können,  denn der Opa hat noch viele Räubergeschichten und Lumpenliedchen auf Lager, die sie hören sollten. Die Kleinen verstehen zwar die Worte nicht, wohl aber die sonore Stimme des Großvaters, die es gut mit Ihnen meint.

Ich freue schon wieder auf die nächste Ausfahrt und die Gelegenheit, mit stolz geschwellter Brust den Kinderwagen zu schieben. Das hat übrigens auch Vorteile: Zum einen gelten mir dann die bewundernden Blicke aufmerksamer Damen oder Herren, zum anderen kann ich mich am Kinderwagen, unauffällig wie an einem Rollator halten, und nur geschulte Blicke bemerken mein unsicheres Gehen.

Für heute beschließe ich meine ersten Eindrücke über die Reise nach Hamburg und bin glücklich, dass ein brandneues Notebook mir erlaubt, der gelegentlichen Lust, zu schreiben, störungsfrei nach zu kommen. Bis zum nächsten Mal, liebe Leser!

 

 

 

 

 

Franz Schwald
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