Von Kindheit an, lange bevor wir Menschen sprechen dringen, Geräusche, Töne und Worte an unsere Ohren: Wenn die Mutter den Tisch deckte, dabei singt, die Teller klappern und sie mit den Geschwistern redete, verschmelzen die Geräusche und Worte zu einem vertrauten Sprachraum. Selbst bei unserem Sprechen als Erwachsene ist die Muttersprache, in der wir die ersten Worte, Sätze und deren Bedeutung lernten, zu erkennen. Zusammen mit dem Spracherwerb erweitern wir im Austausch mit unserer Umgebung und anderen Personen, stetig den Wortschatz und die Fähigkeit, Ereignisse in ihrer Bedeutung zu verstehen, Phänomene und Objekte zu unterscheiden und Begriffe in Kontexte einzuordnen. Nun ist es möglich, mit anderen Menschen über Gegenstände, Wünsche, Vorstellungen, Ereignisse, Ziele und unsere Grenzen zu sprechen. Mit Hilfe von Worten und Sätzen vermehren wir unser Wissen und verinnerlichen es als unsere ersten Lebenserfahrungen. Wir klären im verbalen Austausch gleichzeitig unsere Beziehungen zu den uns umgebenden Dingen und Menschen. Worte und Sätze von Bezugspersonen können uns dann, wie ein „heile Segen“ beruhigen, trösten, oder gelegentlich verunsichern, erschrecken oder ängstigen.
Die weitere Modifikation unseres Sprachvermögens erfolgte durch außerfamiliäre Kontakte mit anderen Kindern und Nachbarn, in der Schule, durch das spezielle Studium, bei der beruflichen Qualifikation und durch unser politisches oder weltanschauliches Engagement. Wir bilden uns auf diese Weise ständig weiter, und erweitern unsere sprachliche Kompetenz, um in einer zunehmend komplexeren Umgebung vernünftig handeln zu können. Dabei wechseln wir nach den jeweiligen Bedürfnissen die Sprachebenen, vom Dialekt und der Alltags- zur Hochsprache, Fach- oder Fremdsprache, und sind gefordert zu berücksichtigen, ob wir uns über Befunde der Natur- oder Geisteswissenschaften verständigen. Die stetige Veränderung unserer Umwelt machten es erforderlich, die jeweiligen analytischen und sprachlichen Fähigkeiten zu entwickeln, um handlungsfähig zu bleiben und uns vor Irrtum und Schaden bewahren zu können.In Diskussionen über gesellschaftlich relevante Zusammenhänge, begegneten sich oft zwei Sprachspiele, als ob sie wie „feindliche Brüder“ nicht zusammen finden könnten: Die Naturwissenschaften, die von der Vorstellung ausgehen, dass wir bei geeigneten Methoden alles erforschen könnten, um dann mit hoher Wahrscheinlichkeit zu entscheiden zu können, was gültig, richtig und wahr zu gelten habe, von dem, was falsch und zu verwerfen sei. Sie betrachten die Frage, warum es sie und ihre Forschung gibt, als völlig irrelevant. Ausgeblendet werden meistens auch die Fragen, ob alles was erforscht werden kann, noch zu bezahlen, oder ethisch und sittlich zu vertreten sei. Der immer spezifischere Blick empirischer Wissenschaften auf ihre Forschungsobjekte, führte aber schließlich dazu, dass es im Laufe der Zeit immer weniger Spezialisten gibt, die in ihren Fachgebieten noch über ausreichende Kenntnisse verfügen. Die ganzheitliche Betrachtung aller Lebensumstände, ihrer Wechselwirkungen und Ziele gerät außer Blick. Im Interesse von uns allen und der Forschung, ist es aber auch heute und in Zukunft unverzichtbar, dass die in den Geisteswissenschaften tradierte Frage: „Warum gibt es das alles und nicht nichts?“, und damit der Blick auf das „Ganze“ und dessen Sinn nicht verloren geht. Es mag die empirischen Forscher zwar enttäuschen, wenn ihr Anspruch, das Maß aller Dinge zu sein, bestritten wird. Um die unantastbare Würde des Menschen als Person, seine Stellung und Verantwortung im gesamten Lebenskontext des Makro- und Mikrokosmos zu verstehen, muss aber über seine Grenzen, über seine Macht und Ohnmacht, über Leben und Tod, die in allem waltenden Geheimnisse und seine religiöse Sehnsucht nach Sinn und Vollendung des Ganzen gesprochen werden.
Offensichtlich sind Worte und Sätze in sprachgeschichtliche Kontexte, eingebettet von denen her sie ihre Bedeutung bekommen. Das gilt sowohl für die Natur- als auch für die Geisteswissenschaften. Beide Betrachtensweisen sind unentbehrlich und bedürfen gegenseitiger
Ergänzung. Dies umso mehr in einer Zeit, in der man vielfach davon ausgeht, eine geisteswissenschaftliche Erforschung der Phänomene
erübrige sich. Es gilt daher, immer wieder neu, in den geschichtlichen Epochen aufzuzeigen, dass die unterschiedlichen Standpunkte der Natur- und Geisteswissenschaften Schaden nehmen müssten, wenn
sie nicht durch die jeweils andere Auffassung ergänzt und bereichert würden. Auch bei heutigen globalen Problemen der Menschheit, ist die Bereitschaft zu Gesprächen, als Medium des Interessenausgleichs, von entscheidender Bedeutung. Beim Ost-West-Konflikt, im Nahen Osten, Syrien, Nordkorea, in Afrika und Europa, sind wirtschaftliche, ökologische und religiöse Interessen, militärische und terroristische Bedrohungen, Gegenstand zäher Verhandlungen. Der globale Austausch von Daten in Wissenschaft, Forschung, Bildung, Wirtschaft und in den sozialen Netzwerken erfolgt ebenfalls über die Sprache in medialer oder digitaler Form. Eine große Bereitschaft zur Verständigung, analytische und sprachliche Kompetenzen sind erforderlich, um befriedigende Lösungen zu verhandeln .In der medialen Aufbereitungen dieser Szenarien durch Rundfunk, Fernsehen, Presse und die digitalen Netzwerke, werden wir mit einer Fülle von Nachrichten versorgt, deren Wahrheitsgehalt vielfach zu bezweifeln ist. Die tatsächliche Bedrohung und die Folgelasten von
militärischen Interventionen wie den Aufwand beim Wiederaufbau, den sozialen Verwerfungen. und den Migrationsbewegungen etc., setzen nicht nur die Geberländer bei den Verhandlungen unter Druck, sondern jeden Menschen, der sich bemüht, die aktuelle Lage
.zu verstehen, um im begrenzten Umfange handeln zu können.
Wir müssen leider feststellen, dass bei einem unheimlich anmutenden Wachstum an Wissensbeständen, die Fähigkeit der Menschen, zur kritischen Analyse der Meinungsvielfalt, eher zu schwinden scheint. Hinzu kommt, dass die Sensibilität für den Reichtum an sprachlichen Ausdrucksmitteln, und damit die Bereitschaft zu kultiviertem Sprechen und Hören und echtem Dialog abnimmt. Differenziertes Verstehen im jeweiligen Sprachkontext, und die Fähigkeit, sich adäquat auszudrücken, sind aber notwendig, wenn beispielsweise Worte und Sätze und ihre Bedeutung in empirischen, philosophischen, theologischen oder religiösen Kontexten, sinngemäß verstanden werden sollen.
Die Pflege der Sprache als Medium, um deren Bedeutung und Wandel in theologischen und religiösen Inhalten, vom Gebrauch in anderen Sprachspielen zu unterscheiden, können wir durch einen Vergleich der Überlieferungs-Traditionen beobachten. Auch die Katholische Kirche und deren Verkündigung, sind nicht abgeschottet vom normalen Leben, führenden wissenschaftlichen Erkenntnissen, und deren prozessualen Veränderungen: Wir können das besonders deutlich an dem Bild ablesen, das sie vor, während und nach dem zweiten Vatikanum darbot. Unser gütiger Papst, Johannes der XXIII, würde sich schon ein wenig wundern, wenn er sehen könnte, dass das von ihm angestoßene Agorniamento nicht nur ein lindes Frühjahrslüftchen, sondern auch manchen Wirbelwind auslöste. In unserem Zusammenhang werden wir uns aber auf den Gebrauch der Sprache beschränken: Vor dem zweiten Vatikanum, war es noch weltweit gängige Praxis, die Eucharistie in lateinischer Sprache zu feiern. Der Priester zelebrierte in dieser Ordo, nach Osten gewandt, mit dem Rücken zur Gemeinde. Wer als Glaubender verstehen wollte, was er sagte, musste Latein beherrschen oder sich als Übersetzungshilfe, des damals üblichen »Schott´s«, bedienen. Lediglich die Predigt gab Aufschluss darüber, was im Kirchenjahr, gerade jetzt, gefeiert wurde. Vom sprachlichen, Zugang zu den Texten abgesehen, blieb dann immer noch die Schwierigkeit, den Inhalt der Aussagen richtig zu verstehen. Nach dem zweiten Vatikanum, mit der Einführung der Volkssprache zur Verkündigung, konnten alle Gläubigen der jeweiligen Sprachregion, wie im evangelischen Gottesdienst, das »Wort Gottes« unmittelbar hören, und in der eigenen Sprache verstehen. Die Bedeutung der Sprache zum Mitvollzug der Liturgie und Verkündigung, wurde zudem in der Messe rituell mehr als bisher hervorgehoben: Der Priester trägt heute in der Regel, beim Einzug in den Kirchenraum, das Evangeliar hoch erhoben, über sich, und für
alle Gläubigen sichtbar, zum Altar. Die Verehrung gilt, wie der
konsekrierten Hostie in der Monstranz, nun auch dem im Wort verkündigten, gegenwärtigen Herrn Jesus Christus, der uns immer wieder neu, wie den Emmaus-Jüngern den Sinn der Schrift erschließt.
Man kann die Heilige Schrift als eine historische Tatsache, was sie im Kern auch ist, beschreiben und verstehen wollen. Damit bleibt aber eine gewisse Distanz zur Botschaft Jesu und den Jüngern bestehen, die diese Botschaft anzunehmen lernten. Wenn man aber »Gottes Worte« als eine Liebesgeschichte Gottes mit den Menschen aller Epochen, bis zum Ende der Zeiten versteht, erschließen sich, unabhängig von der verwendeten Sprache, immer wieder neue Aspekte: Ich erinnere mich, dass ich während der Gottesdienste, bei Vorträgen, oder gelegentlich beim Studium der Heiligen Schrift, so von Szenen ergriffen wurde, als wären sie für mich geschrieben. Die Worte gingen mir unter die Haut, direkt zu Herzen. Ich meine begriffen zu haben, warum mir in solchen Situationen, Textstellen so nahe kommen. Es sind eben nicht nur Geschichten über Jesu Beziehung zu den damaligen Augen- und Ohren-Zeugen, die uns die Evangelien berichten. Wir hören nicht nur Erzählungen, mit einem historisch verbürgten Kern, wie es damals war. Der Sinn der Geschichten geht weit darüber hinaus!
Beim betrachtenden Studium der Begegnungen Jesu, mit den damaligen Menschen, wird eine historische Distanz gerade zu überwunden. Es kommt dadurch zu einem geisterfüllten, lebendigen Dialog; zu einer Begegnung des gekreuzigten und auferstandenen Herrn mit Dir und mir. Zugleich werden die Menschen, die in der Begegnung mit dem Herrn, zu Jüngern und Zeugen dieses Geschehens wurden, auch aus einer historischen Erstarrung befreit. In Ihren Begegnungen mit dem Herrn treten sie an meine und Deine Stelle. Du und ich, wir sind gemeint. Die Geschichten holen uns in die immer währende Liebesbeziehung des Herrn zu uns ein. Wir beginnen von da her neu zu verstehen, warum uns die von der Kirche in unserer Sprache verkündigte frohe Botschaft immer wieder zu Herzen geht.
Bei allem zeitlichen Abstand unseres Hier und Heute zum Dort und Damals, den ersten Begegnungen der Jünger mit dem Herrn, besteht im Heiligen Geist, eine uns immer wieder überwältigende Erfahrung,
die uns Menschen von Heute ins Spiel bringt: Hierfür mögen einige Beispiel stehen:
Maria sitzt an meiner Stelle und ich sitze mit Maria, dem Herrn zu Füßen, der versichert, sie habe, wenn sie das tue, den besseren Teil erwählt. Ebenso bin ich die geschäftige Martha, deren Fürsorge nicht zurückgewiesen wird, die aber lernen muss, dass die Liebe Jesu nicht verdient werden kann, sondern reine Gabe, reines Geschenk, und an keine Vorbedingung geknüpft ist. Wer kennt nicht den »Zachäus«, der auf einen Baum klettert, weil es ihn drängt, den Herrn sehen zu wollen, da er „klein“ von Gestalt ist. Und ER, der Herr, bemerkt ihn, holt ihn herunter, stellt ihn auf die Beine, und sagt ihm die schönen Worte, dass ER heute noch bei ihm einkehren wolle. Ich bin auf meine Weise auch der Schächer am Kreuz, der nicht zulassen kann, dass der mit uns gekreuzigte Verbrecher, den unschuldigen Herrn verspottet. Der darauf hin die Zusage erhält: »Heute noch wirst Du bei mir im Paradiese sein! « Auch diese Zusage des »heute noch« gilt uns, wenn wir nicht zulassen können, dass ER, der absolut GUTE, verspottet wird.
Ich komme aus einer St.Josefspfarrei: Jesus, Maria, Josef, die heilige Familie, und in der Nachfolge die »Katholische Kirche« weltweit, ist heute meine Familie, mein Zuhause. In dieser Kirche habe ich, mit
anderen Menschen zusammen, in der Feier der heiligen Geheimnisse und des weltumspannenden Gebetes, meinen Platz und meine »priesterliche Aufgabe«. In brennender Sorge bete ich mit unserem Papst Franziskus, dass der Herr im Heiligen Geist unsere große Familie segne, bewahre und nach Gottes Willen zur Vollendung führe. Zu Johannes unterm Kreuz spricht der Herr: »Siehe da, Deine Mutter! Und zur Mutter Jesu: «Siehe da Deinen Sohn! « So bin ich auch die Gottesmutter, die alle Geheimnisse des Glaubens in ihrem Herzen bewegt und bewahrt, die den Gottes-Sohn zur Welt bringt, das Wachstum des Glaubens und das Wohl und Wehe ihres Sohnes bis unter das Kreuz und in die Geheimnisse der Auferstehung und Geistsendung begleitet. Sie, die Fürsprecherin und Mutter der Kirche, ich der Kirche in mütterlicher Treue verbunden. Ich bin ebenso Johannes, der unter dem Kreuz in Trauer und Schmerz verstummt und sich der Gottesmutter anvertraut. Es schmerzt, auch der verlorene Sohn zu sein, der alles durchbrachte, bis er sich nur noch von den Schoten, die man den Schweinen vorwarf, ernähren konnte. Der dann umkehrte. Den der Vater längst erwartete, um ihn in die Arme zu schließen. Der ein Mastkalb schlachten ließ und ein großes Fest feierte, weil er seinen Sohn wieder gefunden hatte.
Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen sollen, wie aktuell die Heilige Schrift, die Frohe Botschaft für mich und für uns alle immer war und bis zum heutigen Tag geblieben ist. Sie liegt längst in verschiedenen Ausgaben, als ein Trostbuch, eine Frohbotschaft, zu frommem Gebrauch auf meinem Schreibtisch. Wie sehr das Evangelium aber auch unsere Liebes- und Berufungsgeschichte mit dem über alles GELIEBTEN erzählt, ist mir heute wieder ein Stück weit deutlicher geworden. Herr erbarme Dich, so singen wir ab und zu im Gottesdienst. Dieser Bitte um Erbarmen, antwortet die Heilige Schrift. Sie ist die anschauliche, ewige Liebesgeschichte Gottes mit seinen Jüngern damals, und durch alle Zeiten, auch mit Dir und mir. Diese »Worte Gottes« übertreffen wahrhaft alle Vorstellungen.