In dritten Band meiner „Geschichten und Gedanken“, stieß ich trotz aller vorgängigen Bemühungen, auf einen Druckfehler: Die weitere Nachforschung ergab, dass auf einer Seite ein Satz mit einem Komma endete, sodass es dem Leser überlassen blieb, diesen unvollendeten Satz nach eigenem Gutdünken zu ergänzen. Genau dies bestätigte mir eine Leserin. Als Autor schätzte ich es immer sehr, wenn ich oder meine Leser, durch Texte zu eigenen Gedanken angeregt wurden. Die Reaktion dieser Leserin auf den Druckfehler meines Textes, führte mich dazu, Ihnen, liebe Leser, einige existenzielle Fragen vorzulegen, um es, wie bei einer Art Druckfehler oder Beichtspiegel, Ihrer Fantasie zu überlassen, diese Leerstellen selbst zu ergänzen. Beginnen wir nun das Fragespiel:
Zu seiner Zeit stellte der Vorsokratiker Parmenides, die bis zum heutigen Tag gültige Frage: „Warum gibt es etwas und nicht nichts?“ Könnte es sein dass Sie sich, liebe Leser, auch schon gelegentlich fragten, woher komme ich und wohin führt mein Weg im Ganzen, und warum gibt es all das Große und das Kleine, das mir lieb und teuer ist, und nicht nichts? Wie könnte heute Ihre Antwort aussehen? Oder gehören Sie etwa auch zu denen, die diese Frage einfach als unnötig zur Seite schieben?
Anselm von Canterbury unternahm es im Mittelalter uns durch seine philosophischen Einsichten, „dass es etwas gebe, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden könne, das nicht nur im Verstand sei“, auf die existenzielle Bedingung unseres Daseins zu verweisen. Er benutzte sein Vermögen, denken zu können, um uns alle über die Grenzen des Denkbaren hinaus, auf das für uns wichtige „Bedenken“ des im Grunde Undenkbaren aufmerksam zu machen. Wir bewegen uns ja so stolz auf unsere Leistungen, und selbstsicher im Raum des kausal Begründbaren, als könnten wir auf diese Weise auch alles, was die Welt im Innersten zusammenhält erklären. Die Grenzen unseres Denkens, Handelns und Machens, werden uns aber immer wieder durch Ereignisse wie Tod, Kriege und Naturkatastrophen aufgezeigt. Welche Konsequenzen könnten sich für Sie, liebe Leser, aus diesem Sachverhalt ergeben?
Der von mir hochgeschätzte Religionsphilosoph Bernhard Welte, eröffnete in seinen phänomenologischen Betrachtungen unseres Daseins, oft die anstehende Untersuchung mit der Frage, „was ist das…..?“ Im Grunde genommen stieß er dabei immer wieder, wie in seinem Hauptwerke „Auf der Spur des Ewigen“ auf die Tatsache, dass sich alle Dinge dem Denken als widerständig erweisen, und nur durch eine freigebenden Annäherung, in ihrer Eigenständigkeit und Bedeutung im Ganzen erfahrbar werden. Welchen Stellenwert hat für Sie, liebe Leser, Ihre aufgeklärte Vernunft, im Vergleich mit den vielfältigen schöpferischen Prozessen der Lebenswirklichkeit?
Viel Freude beim Nachdenken und Ihrer persönlichen Antwort auf die angestoßenen Fragen!