Vor einiger Zeit musste ich im Krankenhaus den Ehering vor einer Operation abgeben. Seit unserer Trauung vor Jahren, legte ich diesen Ring nie ab. Er war mir zu einem wichtigen Symbol unserer Ehe geworden. Diesen Ehering vermisste ich sehr. In meiner Not rief ich den Heiligen Antonius zur Hilfe. Er hat mich noch nie im Stich gelassen. Was hab ich nicht alles unter seinem Beistand in unserem Ehealltag wieder gefunden. Da ging die Türe zu meinem Zimmer plötzlich auf. Eine Schwester trat ein und zeigte mir an einem Plastikband einen Ring mit der Frage, ob ich ihn vermisse. Es war mein Ehering.
Manchmal gelang es mir auch im Alltag, einen Gegenstand, Haus- oder Autoschlüssel, ohne einen himmlischen Beistand durch gezielte Überlegungen wieder zu finden. Dieses Suchen und Finden erlebe ich derzeit auch in Hamburg zusammen mit unserer Tochter Veronika und den bald zweijährigen Enkeln. Wenn sie sich hinter ihren Händen oder unter dem Badetuch verstecken, um dann wieder gefunden zu werden, strahlen sie jauchzend über das ganze Gesicht.
Das stetige Suchen und Finden begleitet uns auch auf unserem ganzen Lebensweg: Wie oft suchte ich nach einem Wort, einem Begriff oder passenden Ausdruck für ein Ereignis. Auch neulich, als ich den Text „die Spukgestalten und Geister“ geschrieben hatte, entstand ein Zustand spannungsgeladener Erwartung und Neugier. Ich habe gelernt, dass es in solchen Situationen gelegentlich hilfreich war, sich eine kleine Pause zu gönnen, um Abstand zu gewinnen. Danach konnte es geschehen, dass mir das gesuchte Wort, der Begriff oder einige passende Aphorismen wieder einfielen.
Ich überließ mich daher dem Spiel der Gedanken, in der Hoffnung, dadurch ein neues Ziel zu finden, das mit meinem inneren Interesse übereinstimmen könnte, denn so entstanden viele meiner Texte. Vielleicht kennen Sie, liebe Leser, eine ähnliche Suche nach den nächsten Zielen Ihrer Aufmerksamkeit auch?
Da sich aber nach meiner letzten Geschichte auf diese Weise kein weiter führender Einfall einstellte, entstand die Frage, was die Störung des Suchprozesses für mich bedeute? Ich musste daher das Ziel des Suchens verändern und entschloss mich, nun diese Störung und deren Ursache zu untersuchen. Wir dürfen gespannt sein, was mir hierzu einfällt und wohin uns die Analyse dieser produktiven Hemmung führt?
Im Unterschied zu meinem früheren beruflichen und familiären Alltag, war beim Übergang in den Ruhestand ebenfalls eine Änderung der Blickrichtung gefordert. Es wurden weniger Aufgaben von außen an mich herangetragen. Als ich gleichzeitig zu schreiben begann, änderten sich auch die angestrebten Ziele: Zunächst war es für mich sehr gewöhnungsbedürftig, Pflichten abzugeben, dann aber gewann ich zusehends Freude an der mir geschenkten Freiheit, nun Herr über den Tag und die Stunden zu sein. Ich lernte zusehends mehr, auf die eigenen Empfindungen und meine Reaktionen bei Ereignissen in der Umwelt zu achten. Ich entwickelte auch ein Interesse, die eigenen Gedanken und Gefühle, meinen Lesern in verständlicher Form mitzuteilen. Mit anderen Worten: Ich lernte „aus dem Leben für das Leben“ Texte über das zu schreiben, was mir bedeutungsvoll erschien.
Heute wage ich es ja auch zum ersten Mal, den Blick auf eine Hemmung beim Schreiben zu richten, und den Zustand zu thematisieren, in dem ich mich manchmal vor der Geburt einer neuen Geschichte befinde, um zu prüfen, zu welchen neuen Zielen mich dieses Nachdenken führen könnte. Im Moment achte ich zum Beispiel nur darauf, was mir zum Thema „Suchen und Finden“ noch einfällt: Dem Sprichwort „wer sucht, der findet“ gemäß, ist der suchende Geist bekannter Weise ja immer in Bewegung auf ein zu findendes, lohnendes Ziel. Die Auswahl der Ziele scheint jedoch nach den individuell wechselnden Bedürfnissen der Suchenden, und der subjektiven Bewertung und Bedeutung dieser Ziele zu erfolgen.
Aus Erfahrung kann ich hoffen, dass auch mir durch die Untersuchung der Frage, was das Suchen und Finden für mich bedeute, eine neue Idee oder ein nächstes interessantes Thema einfallen könnte. Es scheint allerdings so, als ob die jeweils angestrebten Ziele, nur zum Teil die erwartete Befriedigung verschafften. Und dennoch treibt uns eine innere Unruhe ständig weiter an, Ziele zu verfolgen. Könnte es daher sein, dass die jeweils nicht voll befriedigenden Teilziele, die Spannung erklären, die sich nach der Verwirklichung eines solchen Zieles wieder einstellt?
Immer dann, wenn wir jedoch ein Ziel verfolgen, das mit unseren inneren Erwartungen, übereinstimmt, ist dieser Vorgang von der beruhigenden Erfahrung begleitet, trotz möglichen Unbehagens auf dem rechten Wege zu sein. So ging es mir auch seit dem Augenblick als ich mich daran machte, mit Ihnen über die Hemmung beim Schreiben und über Teilziele zu reden, von denen wir sicher wissen, dass sie uns nie voll zu befriedigen vermögen.
Das Nachdenken über meine Blockade setzte zwar den Prozess des Suchens und Findens wieder in Gang. Er führte aber zu einem anderen Hinblick des Erkennens: Unseren jeweiligen Teilzielen scheint demnach ein unerklärlicher Bedeutungsüberschuss zu eigen zu sein, der zur Frage führt, was letztlich unsere Suchbewegung über alle einzelnen Ziele hinaus verursachen könnte?
Mir fällt da der Satz von Augustinus ein “Unruhig ist mein Herz, bis es Ruhe findet in Gott“. Könnte es sein, dass dieser Satz genau unserer Suchbewegung entspricht? Bei unserem Suchen begegnen wir ja stets den Dingen und unseren Werken als Geschaffenen wie Teilzielen, die nicht voll befriedigen, sondern über sich hinaus auf mehr, letztlich auf Gott unseren Schöpfer verweisen. Sie ermahnen uns daher als Teilziele, alles Geschaffene nicht mit dem Schöpfer zu verwechseln.
Wenn aber schon die eigenen Kreationen und die Vielfalt der Dinge dieser Welt uns beeindrucken und erfreuen, wie groß muss dann unser Freude sein, den Schöpfer zu erkennen, der allen unseren Zielen hier auf Erden und dereinst in Ewigkeit, Dauer und Bestand verleiht?