Der Mann aus Nigeria

Ich gehöre seit über vierzig Jahren zu einer Gemeinde im schwäbischen Oppenweiler. Mein Beruf als Psychologischer Psychotherapeut hat mich mit meiner Familie hierhergeführt. Feste Bindungen zu den Menschen an diesem Ort an der Murr, und der ihn umgebenden Natur, mit dem Wasserschloss, und der auf der Höhe gelegen Reichenberg, dem nahe gelegenen ehemals markgräflichen Backnang, dem seit der Römerzeit bedeutenden Murrhardt, und der Landeshauptstadt Stuttgart mit ihrer reichen Geschichte und den vielfältigen kulturellen Angeboten sind in den Jahren gewachsen.

Dreißig Jahre habe ich in Rheinfelden(Baden), einer Industriestadt mit Rheinbrücke zum geschichtsträchtigen Rheinfelden(Schweiz), in der Nähe zu Basel, im Dreiländereck von Deutschland, der Schweiz und Frankreich, gelebt und gewirkt. Mein Katholischer Glaube wurde in einer St. Josefskirche in Rheinfelden(Baden), unter dem Schutz von St. Pirmin in Sasbach, dem Freiburger Münster, der Lambertikirche und des Doms im westfälischen in Münster, auf Reisen in Gotteshäusern Bayerns, Österreichs, Frankreichs, Hollands und Italiens, und nun seit vierzig Jahren in der St. Stephanus-Kirche von Oppenweiler, dem heutigen Zentrum einer Seelsorgeeinheit .geformt. Ich überblicke daher nicht nur die unterschiedlich ausgeprägten Frömmigkeitsformen unseres angestammten Glaubens, sondern auch die vielen Veränderungen während und nach dem zweiten Vatikanischen Konzil, in den Beziehungen zu nicht oder anders Gläubigen. Wenn uns manche Entwicklungen durchaus Anlass zur Sorge geben, und wir als Kirche gefordert sind, unserer Berufung zur Nachfolge Jesu zu folgen, dann scheint es mir sehr wichtig, im Vertrauen auf den Heiligen Geist nicht zu erlahmen, und schöpferische Kräfte zu entfalten, um Gottes Liebe in unserer Zeit, für alle Menschen sichtbar zu machen. So möchte auch ich ein wenig ermutigen, nicht auf das nur halb volle Glas unserer Kräfte, sondern auf das gerade in Notzeiten anwesende gefüllte Glas der Liebe Gottes zu uns zu schauen. Ja, geben wir es gern zu, Kirche ist immer schon ein Ort der Schwachen und Sünder. Wir müssen aber auch auf die in Wahrheit schon erlösten Brüder und Schwestern schauen, um sie zu trösten und zu ermutigen, wenn ihnen das Kreuztragen in der Nachfolge Jesu schwerfällt. Diese Überlegungen möchte ich ein wenig näher aus der sogenannten Praxis mit Ihnen zusammen untersuchen:

Ja wir sind über manche Tatbestände des Christseins in unserer heutigen Zeit erschüttert. Wer ist aber nicht hoch erfreut, wenn er in einer katholischen oder evangelischen Kirche Männer, Frauen und Kinder erleben darf, die auf ihre Art ihren Glauben bezeugen. Christlicher Glaube geht doch nur im Miteinander und in Verantwortung für alle Menschen. Die Hoffnung auf den Beistand Gottes wird eben auch genährt und bestärkt, wenn wir zusammen beten feiern, und uns um einander kümmern. Insofern schmerzen mich die leeren Kirchenbänke sehr, habe ich doch in diesen Bänken so viel Trost und Nahrung zum Leben empfangen. Mir ist es um der Ehre Gottes willen nicht gleichgültig, wenn das so bleibt. Ist das Glas nun schon halb leer? Mein Glaube verbietet mir den Rückzug. Die Liebe Christi treibt mich, Salz zu sein, um aus SEINER Fülle zu leuchten, damit es alle sehen können, wie gut es der Herr mit uns meint. Er lässt uns in unserer Schwachheit nicht alleine. Geben wir uns darauf in Seinem Namen die Hand und bieten wir in der Kraft des Herrn allem Bösen die Stirn.

Hierzu eine Szene: In der St. Stephanus Kirche brennt das ewige Licht, als Zeichen der Gegenwart Christi im Altarsakrament. ER,der HERR, ist Tag und Nacht da, auch wenn wir ihn nicht oft besuchen. Die wahre Fülle ist und bleibt bei uns, solange das ewige Licht brennt, als Zeichen, dass durch IHN das Glas allezeit gefüllt ist, dies umso mehr, wenn irgendwo das Licht ausgegangen ist. Das ist unser Koordinatenkreuz, auf diesen gnädigen und barmherzigen Gott dürfen wir, auch wenn wir allein wären, immer vertrauen. Auf diesen Grund ist unsere Kirche gebaut. Mir verschlägt es ein wenig die Stimme, und so bitte ich den guten Herrn: Gib mir die Worte ins Herz, die mich und alle anderen in der gegebenen Situation trösten können. Nun hierzu ein Beispiel:

Wir hatten hier in Oppenweiler das Angebot, auch jeden Mittwoch miteinander Eucharistie zu feiern. Es war in der Regel eine kleine Schar, die sich um den Priester versammelte. Wir fanden in den Wintermonaten gut in der Sakristei platz. Nun waren wir wieder im großen Kirchenraum, und es fehlten viele Mitchristen, denen wir die Gnade der Teilnahme am Gottesdienst auch wünschten. Einmal war nur eine Frau, außer mir noch ein Mann, der Organist, und unser aus Nigeria stammender Priester anwesend. Ist nun das Glas schon fast leer? Sind alle böse, schlechte Menschen, oder wenig engagierte Christen, die nicht da sind? Nein sagt mein Glaube, tausendmal nein, denn dort wo wir stehen oder selbst, wenn wir manchmal wie der Herr im Tabernakel allein sind, ist die Fülle Gottes, die der ganzen Kirche und der Welt gilt, präsent. Darauf hat unser Priester hingewiesen. Auch für mich galt, dass die Bänke nicht wirklich leer waren. Meine Sehnsucht nach gläubigen Brüdern und Schwestern, die zur Anbetung des Herrn fehlten, hatten sie gefüllt. Ich drehte mich um, und wünschte dem Priester aus Nigeria, der in seiner Heimat vielleicht einen lebendigeren Glauben kennen lernte, dass er nicht Anstoß nehme an der kleinen Zahl, und so feierten wir für alle Armseligen in der Kirche und Welt, die Fülle der Gnaden unseres barmherzigen Herrn. Dank sei DIR, lieber Priester aus Nigeria, dass DU uns den Glauben zurückbringst, den einst europäische Missionare in Afrika entfachten. Bleibe bei uns, und wir werden es erleben, welches Feuer der Heilige Geist bei uns entfachen kann. Nichts hindert mich daran, der Gemeinde St. Stephanus verbunden zu sein, auch wenn ich aufgrund meiner Behinderung, selten an der Eucharistiefeier teilnehmen kann. Von der St. Josefskirche in Rheinfelden, in der ich zu glauben lernte, über die vielen Stationen bis nach Oppenweiler zu St. Stephanus, dem Heiligen, der als er gesteinigt wurde, Gott bat, seinen Peinigern zu verzeihen, war ein weiter Weg. Es ist Gottes Wille, wie lange ich noch auf Erden leben darf. Ich freue mich darauf, mit Dir, lieber Priester aus Nigeria, in der beständigen Hoffnung zu bleiben, dass sich unsere Bänke wieder füllen, um zu beten, zu feiern, und Gott dem Herrn allezeit die IHM gebührende Ehre zu erweisen. Bleibe bei uns, solange es Gott will!

Geborgen in der Kirche
Geborgen im Glauben Hoffen und Lieben.
Franz Schwald
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